Der Waschbär - kein Artenkiller

Der Waschbär zählt zu den Neozoen, also zu den Arten, die in Deutschland ursprünglich nicht heimisch waren. Die Diskussion um diese Arten verläuft meist undifferenziert und den Tieren wird nachgesagt, dass sie eine Bedrohung für die heimische Fauna seien. Bei genauerer Betrachtung trifft dies jedoch nur im Einzelfall zu.

 

"Obwohl immer wieder vom negativen Einfluss des Waschbären als Nesträuber und Niederwildprädator berichtet wird, gibt es aus wissenschaftlicher Sicht aus seinem allochthonen Verbreitungsgebiet auch bei fortschreitendem Populationswachstum keine wissenschaftlich reproduzierbaren Belege." [1]

Steckbrief

Name:

Lat. Procyon lotor (Linnaeus, 1758)

Herkunft:

Kanada, U.S.A., Mexiko, Zentral Amerika. In Deutschland eingeführt (bereits 1835) zur Pelztierzucht und zum Verzehr.

Nahrung:

Nahrungsopportunist mit Schwerpunkt auf wirbellosen Tieren (ca. die Hälfte des Nahrzungsspektrums). Bei den Wirbeltieren, welche nur ca. 1/5 ausmachen, dominieren Amphibien. Vegetarische Kost macht ca. 1/3 aus.

Lebensweise:

terrestrisch

Einstufung gemäß EU-Richtlinie 1143/2014

invasiv, in Deutschland als etabliert eingestuft und somit auf der Managementliste [2].

© Christoph Bosch
© Christoph Bosch

ökologisches Schadpotenzial

Nach der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnislage muss das ökologische Schadpotenzial des Waschbären als gering eingestuft werden. Bisher wurde in keiner wissenschaftlichen Untersuchung ein ernsthafter Prädationsdruck des Waschbären auf heimische Tierarten nachgewiesen (HEIMBACH 1975, LUTZ 1981, HESPELER 1995, LUTZ 1995, GEBHARDT et al. 1996, HOHMANN 2001, SCHWAN 2003, STAHL 2010, BECKER 2011, ENGELMANN et al. 2011). [3]

Dabei wird auf lokaler Ebene und in anthropogen stärker gestörten Gebieten ein negativer Einfluss nicht ausgeschlossen. Die Mär aber, dass der Waschbär eine flächige Bedrohung für die heimische Artenvielfalt sei, sind schlicht falsch!

ökonomisches Schadpotenzial

Landwirtschaft (z.B. Weinanbau), Tierzucht (Geflügelhaltungen), Bauwerke (Schäden durch Eindringen), Sonstiges (Dreck und Lärmbelästigung in Siedlungen) (Michler & Michler 2012). [4]
Ergebnisse aus einem Forschungsprojekt zur Lebensweise urbaner Waschbärenvorkommen (HOHMANN et al. 2004) und die Erfahrungen aus Kassel (Nordhessen) haben gezeigt, dass durch die Anwendung eines präventiven Konfliktmanagements die vorhandenen Problemfelder effektiv und nachhaltig minimiert werden können (MICHLER 2004, Abb. 2). [3]


Fazit

Obwohl immer wieder vom negativen Einfluss des Waschbären als Nesträuber und Niederwildprädator berichtet wird, gibt es aus wissenschaftlicher Sicht aus seinem allochthonen Verbreitungsgebiet auch bei fortschreitendem Populationswachstum keine wissenschaftlich reproduzierbaren Belege. Es ist zu vermuten, dass mit diesen Falschbehauptungen vor allem versucht wird die Fangjagd zu legitimieren.

LUTZ konstatierte bereits 1996, dass sich die in Deutschland in den 60er und 70er Jahren geäußerten Befürchtungen der Waschbär werde erheblichen Schaden unter den heimischen Wildarten, insbesondere den Vogelarten verursachen, nicht bewahrheitet hat. Prädation ist eine von vielen Verlustursachen – ein ausdrücklicher Prädations‐ bzw. Konkurrenzdruck auf bestimmte Tierarten konnte für den Waschbären bislang nicht nachgewiesen werden. [1]

Dass der Waschbär auf der EU Liste der invasiven Arten gelandet ist, ist nicht die Folge einer wissenschaftlichen Datengrundlage. Vielmehr wurde die Liste auf Basis alter Risikobewertungen aus einzelnen Mitgliedsstaaten erstellt. Die Listung des Waschbären wurde mit der einzig vorhandenen Risikobewertung aus Großbritannien begründet, die allerdings nie offiziell bei der EU‐Kommission eingereicht wurde, da sie allein für das britische Territorium erstellt wurde und somit nicht repräsentativ für alle europäischen Länder ist. Deutschland hat die Aufnahme des Waschbären auf die Unionsliste abgelehnt. [5]

 

 

Literatur:

[1] Michler, Berit: Koproskopische Untersuchungen zum Nahrungsspektrum des Waschbären (Procyon lotor L., 1758) im Müritz-Nationalpark (M-V) unter spezieller Berücksichtigung des Artenschutzes und des Endoparasitenbefalls. Dresden, Technische Universität, Dissertation, 2017

 

[2] S. Nehring, S. Skowronek (2017): Die invasiven gebietsfremden Arten der Unionsliste der Verordnung (EU) Nr.1143/2014 – Erste Fortschreibung 2017 –; BFN-Scripten 271

 

[3] Michler, Frank-Uwe; Michler, Berit (2012): Ökologische, Ökonomische und epidemiologische Bedeutung des Waschbären (Procyon lotor) in Deutschland - eine aktuelle Übersicht. In: Beiträge zur Jagd- und Wildforschung 37, S. 387–395

 

[4] S. Nehring, W. Rabitsch, I. Kowarik, F. Essl (2015): Naturschutzfachliche Invasivitätsbewertungen für in Deutschland wild lebende gebietsfremde Wirbeltiere; BFN-Script 409

 

[5] http://schutz-der-waschbaeren.de/news/keine-bedrohte-art-in-europa-durch-praedationsdruck
-des-waschbaeren-iucn/

 

Tipp:

 

Fred Pearce (2016): Die neuen Wilden,  Wie es mit fremden Tieren und Pflanzen gelingt, die Natur zu retten; oekom Verlag München, 2016 ISBN-13: 978-3-86581-768-6