Nutria und Waschbär zählen zu den Neozoen, also zu den Arten, die in Deutschland ursprünglich nicht heimisch waren. Die Diskussion um diese Arten verläuft meist undifferenziert und den Tieren wird nachgesagt, dass sie eine Bedrohung für die heimische Flora und Fauna seien. Bei genauerer Betrachtung trifft dies jedoch nur im Einzelfall zu.
Name:
Lat. Myocastor Coypus, auch Sumpfbiber oder Biber-ratte
Herkunft:
Südamerika. In Deutschland eingeführt zur Pelztier-zucht und zum Verzehr.
Nahrung:
vegetarisch,Wasserpflanzen, Uferbewuchs, im Winter auch Rinde und Wurzelnselten Muscheln
Lebensweise:
semiaquatisch
Einstufung gemäß EU-Richtlinie 1143/2014
invasiv, in Deutschland als etabliert eingestuft und somit auf der Managementliste [1].
Fraßtätigkeit kann die Unterwasser- und Ufervegetation schädigen, hohe Abundanzen können zum Rückgang gefährdeter und geschützter Arten führen, z.B. Iris pseudacorus, Nuphar lutea, Nymphoides peltata (England, Ellis 1963; Italien, Prigioni et al. 2005, Bertolino et al. 2005) [2].
Landwirtschaft (Fraßschäden), Sonstiges (Grabtätigkeit destabilisiert Uferbefestigungen, die Schäden in Italien betragen rund 2 Millionen Euro pro Jahr, Panzacchi et al. 2007) [2].
Nutrias können durchaus Schäden anrichten, diese sind jedoch lokal begrenzt und stellen keine Zwangsläufigkeit dar. So wurde bisher bei keiner der Neozoen belegt, dass diese heimische Arten
ausrotten. Eine Bekämpfung ist aus Artenschutzsicht demnach nur im lokalen Einzelfall sinnvoll, z. B. lokal zum Schutz besonders gefährdeter Vegetationsbestände. Dieser Schaden muss zudem vorher
nachgewiesen werden. Ein derartiges Management des Nutria ist auch nach aktueller Rechtslage möglich, da die Art in Deutschland als etabliert gilt und eine Ausrottung zudem nicht realistisch ist.
Daher werden Nutria in der sogenannten Managmentliste geführt wird. Dort heißt es:
"[...] Maßnahmen
zu diesen Arten sind in der Regel nur lokal sinnvoll und sollten darauf abzielen, den negativen Einfluss dieser invasiven Arten z.B. auf besonders schützenswerte Arten, Lebensräume
oder Gebiete zu minimieren (siehe auch § 40 Abs. 3 Satz 2 BNatSchG). Außerdem ist eine Überwachung, u.a. im Hinblick auf ihre Bestandsentwicklung, Verbreitung und die Gefährdung der biologischen
Vielfalt sinnvoll. Erforderlich sind auch Forschungsaktivitäten zur Entwicklung neuer erfolgversprechender Methoden zur Bekämpfung oder zumindest verbesserten Kontrolle."
Bei der Bejagung des Nutrias hat man es zudem mit einem ethischen Dilemma zu tun, da säugende Weibchen nicht zweifelsfrei angesprochen werden können. Die Tiere können ganzjährig Nachwuchs bekommen und man würde das Sterben der Jungtiere in Kauf nehmen. Da die aus Südamerika stammende Art zudem nicht an die hiesigen klimatischen Verhältnisse angepasst ist, führen kalte Winter zu einer deutlichen Bestandsreduktion.
Vielleicht ist ein Umdenken in Bezug auf Neobiota erforderlich. Nicht jede neue Spezies stellt eine potenzielle Gefahr für die heimische Flora und Fauna dar. In den meisten Fällen kommen Einheimische und Einwanderer gut miteinander klar. Gehandelt werden muss also nur bei vergleichsweise wenigen Fällen. In Zeiten des Artenschwundes sollte man die Neuankömmlinge daher vielleicht eher als Bereicherung, denn als Bedrohung sehen.
[1] S. Nehring, S. Skowronek (2017): Die invasiven gebietsfremden Arten der Unionsliste der Verordnung (EU) Nr.1143/2014 – Erste Fortschreibung 2017 –; BFN-Scripten 271
[2] S. Nehring, W. Rabitsch, I. Kowarik, F. Essl (2015): Naturschutzfachliche Invasivitätsbewertungen für in Deutschland wild lebende gebietsfremde Wirbeltiere; BFN-Script 409
Tipp:
Fred Pearce (2016): Die neuen Wilden, Wie es mit fremden Tieren und Pflanzen gelingt, die Natur zu retten; oekom Verlag München, 2016 ISBN-13: 978-3-86581-768-6