von Olaf Lessow
Der Landkreis ist sehr vielfältig strukturiert, dementsprechend kommen auch viele Greifvogelarten vor.
Vielen ist der Mäusebussard bekannt, der am Straßenrand auf Zaun- oder Begrenzungspfählen nach Aas Ausschau hält. Er ist wohl mit Abstand der häufigste Greifvogel in unserem Gebiet. Lockere
Feldgehölze und Waldränder sind sein bevorzugter Bruthabitat. Die atemberaubenden Flugspiele zur Balz im April, die man diesem eher plumpen Greif nicht zutrauen würde, gehört mit zu den
eindruckvollsten Erlebnissen in der Ornithologie. Da Mäusebussarde in den unterschiedlichsten Farbvarianten auftreten und diese häufig zu Verwechslungen mit anderen Greifen führen, sollte jeder
Vogelbeobachter die Kleider des Mäusebussards aufmerksam studieren, um nicht Gefahr zu laufen aus einem Mäusebussard schnell mal eben einen Adlerbussard zu zaubern...!
Besonders im Winter geben die hier zwar selten dennoch regelmäßig auftretenden Raufußbussarde aus dem hohen Norden dem Beobachter Schwierigkeiten auf. Dieser Greif ist dem Mäusebussard sehr
ähnlich, lässt sich aber schnell anhand verschiedener Merkmale wie befiederte Ständer, Brustband und der weiße Stoß mit seiner breiten Endbinde von diesem unterscheiden. Auch rüttelt dieser
Bussard sehr gerne über den Feldern um nach Nahrung Ausschau zu halten. Raufußbussarde lassen sich in unserer Region eher in waldarmen Gebieten, wie die Umgebung von Rethen, die Wiesen bei
Hillerse oder auch bei Meine ab Oktober/November beobachten.
Wespenbussarde stellen Sonderlinge dar. Sie kommen gegen Ende April aus ihrem afrikanischen Winterquartier. Unverzüglich beginnt das Männchen mit dem Horstbau, eine nur Wespenbussard (Foto: O.
Lessow) kurze Balzphase mit dem typischen Girlandenflug und schon liegen die Eier im Nest. Dieser Bussard lebt sehr heimlich und zurückgezogen in Waldreichen Gegenden wo er auf den Lichtungen
nach Erdwespen oder andere Hautflügler gräbt. Sein straffes Gefieder um den Kopf herum sowie die länglichen,sehr schmalen Nasenlöcher geben den aggressiven Wespen keine Einstichmöglichkeit. Schon
Mitte August ziehen diese Bussarde wieder ab in den Süden, sodass Beobachtungen schon selten sind und dann auch noch auf einen dreimonatigen Zeitraum begrenzt. Die Umgebung von Groß Oesingen, das
Harmbütteler Holz oder auch die Okerniederung geben recht gute Beobachtungsgelegenheiten für diesen Sonderling unter den Taggreifen.
Ebenfalls an Häufigkeit kaum zu Überbieten ist der Turmfalke, der gern am Straßenrand rüttelnd seine Jagd vollrichtet. Als Kulturfolger bevorzugt dieser menschliche Behausungen wie Scheunen,
Kirchtürme usw. als Brutplatz. Einzeln stehende Bäume in der Feldmark werden ebenfalls gerne angenommen.
Dieser Greif lässt sich ohne große Schwierigkeiten fast überall beobachten und ist für Einsteiger in die Vogelbeobachtung ein hervorragendes Studienobjekt. Seltener ist der Baumfalke der ganz
nach Wespenbussardmanier sehr spät aus dem Winterquartier zurückkehrt. Er bevorzugt Feldgehölze zur Brutplatzwahl, Teiche als Nahrungsrevier. Als Nest werden, wie übrigens bei allen Falken,
Fremdnester wie Krähennest o.ä. bezogen. Atemberaubend sind seine Jagdflüge wenn er mit rasanter Geschwindigkeit über die Wasserflächen nach Libellen die er Flug verzehrt, jagt. Auch Segler und
Schwalben werden von ihm geschickt geschlagen. Das Leiferder Viehmoor, die Meiner Stapelteiche aber auch die Umgebung von Groß Oesingen bieten beste Beobachtungsmöglichkeiten.
Als Durchzügler treten bei uns noch der Rotfußfalke auf, Wintergäste sind höchst selten der Wanderfalke und der Merlin, der offene Flächen zur Jagd bevorzugt. Silagehaufen wo sich im Winter
verschiedene Vögel wie Goldammer und Sperlinge tummeln, sollten immer mal wieder nach Merlinen abgesucht werden. In den letzten Jahren war der Bereich um Hillerse/Didderse immer erste Adresse um
den kleinsten europäischen Falken beim Jagen zu beobachten.
Sehr schön anzuschauen sind die grazilen Weihen, die mit ihren v-förmig gehaltenen Flügeln die Wiesen, Weiden oder Teichflächen nach Nahrung absuchen. Die Wiesenweihe zu beobachten kommt einem
Glückstreffer gleich, da sie in unseren Breiten maximal auf dem Durchzug also im April oder September angetroffen werden kann. Anders ist es bei der Kornweihe die hier überwintert. Da sich Wiesen
und Kornweihe sehr ähneln, die Wiesenweihe aber ins Zentralafrikanische zieht, fällt die Artbestimmung im Winter nicht sonderlich schwer. Schöne Beobachtungen gelingen in der Umgebung von
Leiferde, dem Ilkerbruch, die Umgebung von Meine, dem Teichgut Groß Oesingen und in der Okerniederung zwischen Didderse und Meinersen.
Wasserflächen mit Schilfanteil kommen der Rohrweihe zugute, die im Landkreis mit Abstand die häufigste Weihe ist. Geradezu prädestiniert ist das Viehmoor mit bis zu zwei Brutpaaren, der
Ilkerbruch, das Teichgut, aber auch der Okeraltarm bei Volkse. Ganz Eindrucksvoll ist die Balz und natürlich die Beuteübergabe vom Männchen zum Weibchen, die meist in der Luft stattfindet. Das
Männchen lässt in großer Höhe die Beute fallen, das Weibchen greift diese in Rückenlage und trägt sie sicher zum Horst. Da diese Weihe ebenfalls im Winter das wärmere Afrika vorzieht, gelingen
schöne Beobachtungen in den Sommermonaten und hier besonders, wenn die Jungen kurz vor dem Ausfliegen sind.
Der Rotmilan, sowie sein enger Verwandter, der Schwarzmilan lassen sich gut im Bereich größerer Mülldeponien beobachten. Der seltenere Schwarzmilan kann schnell mit der Rohrweihe oder dunkleren
Bussarden verwechselt werden, sodass sich ein Blick in das Bestimmungsbuch immer wieder anbietet. Nach einiger Zeit fallen dem Beobachter aber die entscheidenden Merkmale sofort ins Auge und
einer sicheren Bestimmung steht nichts mehr im Weg. Schwarzmilane ziehen recht früh ins Winterquartier, Mitte bis Ende August ab, Rotmilane verweilen bei uns mitunter bis in den späten Oktober,
bevor sie die südspanischen Gefilde vorziehen. Früher gehörte der Rotmilan gerade im Sommer noch zum Alltäglichen, in letzter Zeit nehmen die Bestände aber deutlich ab, sodass schon etwas Glück
dazu gehört den Rotmilan bei seinem Suchjagdflug zu beobachten.
Besonders gewaltig und imposant sind zweifelsohne die Adler, die sich im Landkreis Gifhorn recht selten beobachten lassen. Der Steinadler, der hin und wieder mal beobachtet wurde, gehört zu den
absoluten Ausnahmegästen. Gerade bei den Großen Adlern muss man sich immer wieder die Frage stellen ob diese nicht sogenannte "Gefangenschaftsflüchtlinge" sind, und wenn ist die eigene
Artbestimmung richtig?
Ein größeres Bestimmungsproblem ist die Unterscheidung zwischen Schell- und Schreiadler. Schelladler hier zu beobachten kommt einem Sechser im Lotto gleich, Schreiadler sind da schon eher möglich
und dann nur auf dem Heim oder Wegzug, wenn starke Ostwinde vorherrschen und diese Vögel ausnahmsweise mal abgedriftet werden. Dennoch ist die Artbestimmung bei diesem großen Greif recht
schwierig und ein kleines Belegfoto erleichtert die Angelegenheit, sodass zu Hause an der Dialeinwand ein ruhiges fehlerfreies Nachbestimmen möglich ist. Da aber nicht jeder eine Kamera dabei hat
bleibt so mancher Greif eben unbestimmt.
Vergleichsweise häufig ist der Fischadler, der besonders im Frühjahr und im Herbst an den verschieden Gewässern wie Teichgut, Ilkerbruch, Viehmoor, der Oker aber auch der Aller bestens beobachtet
werden kann. Sein rüttelnder Jagdflug und anschließender Sturzflug mit nach vorn gestreckten Krallen gehört zu den eindruckvollsten Beobachtungen. Ist dieser Jagdflug von Erfolg gekrönt
verschwindet dieser Adler meist dorthin wo Telegrafenmasten, abgestorbene Bäume oder auch Zaunpfähle vorzufinden sind um dann in aller Ruhe seinen Karpfen, Schleie, Forelle zu verzehren.
Besonders im Herbst kommen die Jungvögel dazu und so kann es sein, das man bis zu zehn Adler gleichzeitig jagen sehen kann und hierfür ist das Teichgut Groß Oesingen wohl die erste Adresse.
Noch mächtiger ist der Seeadler der bei uns ganzjährig anzutreffen ist. Meist sind es die unerfahrenen Jungvögel die hier übersommern und durch ihre eher ungeschickte Jagdweise auffallen.
Auffliegende Entenscharen, krächzende Graureiher, ängstlich schnatternde Gänse künden den Jagenden Seeadler an. Leergefegte Teichflächen oder sich in einer Ecke zusammenkauernde Blässhuhnscharen
lassen den Seeadler ganz in der Nähe vermuten. In den Wintermonaten im Viehmoor, im Ilkerbruch oder dem Teichgut sind die besten Beobachtungsplätze für diesen Riesen unter den Greifvögeln.
Abschließend bleiben noch der Habicht und der Sperber. Die besten Habichtsbeobachtungen gelingen zur Balz, also im zeitigen Frühjahr, wo beide, Männchen und Weibchen sich hoch in die Lüfte
schrauben, hinabgleiten und diesen Vorgang des öfteren wiederholen. Ansonsten sind Habichtsbeobachtungen eher rar. Kennt man ein Revier dieses recht ungestümen Greifvogels sollte man ein
geeignetes Versteck aufsuchen und ausharren. Mit etwas Glück kann man dann die Jagd beobachten, wenn dieser Greif mit kräftigen Flügelschlägen blitzschnell aus der Deckung schießt um seine Beute
zu schlagen. In den Wintermonaten zieht es den Habicht, und hier besonders die Jungvögel, dann in menschliche Nähe, sodass die größeren Waldstücke die sein bevorzugtes Areal darstellen, verlassen
werden, um Beute an für ihn günstigster Stelle zu schlagen. Hier eignen sich dann Silagehaufen, Heumieten oder auch Misthaufen wo gerade im Winter viele Kleinvögel nach Nahrung suchen. Da der
Bestand des Habichts im Landkreis Gifhorn doch stabil ist, kommen alle zusammenhängenden Waldstücke mit hohem Mischwaldanteil für Habichtsbeobachtungen in Frage.
Ebenso verfährt man bei dem Sperber, will man die kleine Ausgabe des Habicht beobachten. Auch hier empfehlen sich die Winterbeobachtungen, denn die Sperber zieht es noch mehr in menschliche Nähe
wie den Habicht. Vorgärten, Futterplätze und Hecken sind sein bevorzugtes Revier und nicht selten greift er die im Futterhäuschen sich in Sicherheit wiegenden Kleinvögel an, meist mit Erfolg.
Laut zeternde Sperlinge und andere Kleinvögel weisen meist auf diesen kleinen Greifvogel hin, wenn er in der Hecke am Grundstücksrand wieder eingeschlagen hat. Auch ist er so in die Jagd
vertieft, das er kaum andere Sachen wahrnimmt und es vorkommen kann, das ein Sperber einem schon mal sehr dicht am Kopf vorbeischießt und erst im letzten Moment die Kurve kriegt.
Da Greifvögel insgesamt leicht zu beobachtende Vögel sind und der Landkreis Gifhorn mit vielen Arten vertreten ist,ist es sowohl für den Einsteiger als auch für den Fortgeschrittenen immer wieder
ein Erlebnis diese " Könige der Lüfte" zu beobachten.
(Fotos: O. Lessow)